Bemerkenswert

Freiwilligendienst Circo Fantazztico

Hallo! Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt, hier ist eine kurze Erklärung wer ich bin und was ich dieses Jahr mache:
Ich bin Franka Werfling, 18 Jahre alt, komme aus Aachen und mache nach meinem Abitur an der Viktoriaschule aktuell über das Kolpingwerk einen Freiwilligendienst in Costa Rica. Das Projekt heißt Circo Fantazztico und ist ein Sozialprojekt in San Isidro de el General, einer mit 40.000 Einwohnern nicht besonders großen, aber dafür lebendigen Stadt im Südwesten Costa Rica. Der Zirkus trainiert etwa 15 Gruppen an verschiedene Orten, in den Barrios von San Isidro, in kleineren Dörfern in den wunderschönen Bergen ringsherum, in Schulen und Kinderheimen. Jedes Training ist anders, vom Alter, Niveau und Schwerpunkt her. Manchmal geht es einfach darum, mit den Kindern oder Jugendlichen Zeit zu verbringen, bei anderen Gruppen wird Wert auf den Fortschritt im Zirkustraining gelegt. Die Gruppe, die am intensivsten trainiert, ist die Gruppe aus dem sozial schwierigen Barrio Cocori. Die ca. 15 Jugendlichen sind seit letzter Woche für eineinhalb Monate mit ihrem Programm ‚Baile de Brunjas‘ (Tanz der Hexen) auf Tournee in Europa, zusammen mit der eigenen Band und allen Verantwortlichen hier im Projekt. Jetzt während fast alle weg sind lebt das Projekt noch mehr von den Freiwilligen als sonst. Wir sind inzwischen 11 Freiwillige, davon 10 aus Deutschland und eine aus England. Wir leiten die Trainings selbst, immer zu zweit oder zu dritt. Das bedeutet einerseits viele Freiheiten bei der Arbeit aber natürlich auch viel Selbstständigkeit und Verantwortung.

Update zu meinem Leben und Festival Brinca Brunca

Es ist so viel passiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Jetzt bleiben mir nur noch anderthalb Monate und die Zeit geht mit jeder Woche schneller vorbei. Ein Teil von mir freut sich natürlich, zurück nach Deutschland zu kommen, aber ein großer Teil kann sich nicht vorstellen, dieses so ganz andere und immer spannende Leben hier zurückzulassen.

Wahrscheinlich der wichtigste Grund dafür sind die Leute, die ich in meiner Zeit hier kennengelernt habe. Immer wieder kommen neue Freiwillige ins Projekt, manche für einige Wochen, andere mit denen ich fast meine gesamte Zeit hier zusammen gelebt und gearbeitet habe oder Leute aus allen möglichen Ländern, die nur zu Besuch hier sind oder Workshops geben. Und alle sind auf ihre Weise besonders, haben spannende Erfahrungen gemacht und irgendetwas zum Projekt beizutragen. So fühle ich mich manchmal, als hätte ich in meiner Zeit hier viel mehr über das Leben gelernt, als in 12 Jahren Schule davor. Viele von diesen Menschen und von Leuten, die bei mir in der Stadt wohnen, sind sehr gute Freunde geworden, mit denen ich trainiere, Musik mache, nette und ruhige bis lange und verrückte Abende verbringe oder Ausflüge mache zum Strand, in die Berge, zu Wasserfällen…

Viele tolle Menschen habe ich auch unterwegs kennengelernt. Inzwischen habe ich einiges gesehen von Costa Rica und Zentralamerika. Mit meiner Familie habe ich eine schöne Woche verbracht beim Vulkan Arenal, im Nebelwald und am Strand, danach mit dem halben Zirkus eine Woche in Montezuma, einem Bilderbuchstrand, direkt am Meer gezeltet und Silvester gefeiert, ein kleines Festival auf Tortuguero, einer kleinen Karibikinsel, besucht, ein paar Tage im bunten und kulturreichen Guatemala verbracht… Aber eine meiner besten Erfahrungen mit ganz vielen super offenen und interessanten Menschen, war eine Woche „Berrinche Ambiental“ in Nicaragua, ein Zirkusfestival, aber ganz anders, als ich gewohnt war. Obwohl fast 200 Teilnehmer da waren, hat es sich wie eine große Gemeinschaft angefühlt. Alle haben ihren Teil beigetragen, ob Zirkus, Musik oder Kunst, kollektives Müllsammeln oder Recycling, Workshops und Shows beim Festival selbst, im schönen Zentrum von Granada oder in den Dörfern oder bei der großen Parade durch die Stadt und der finalen, gemeinsam entwickelten Show. Ich hatte sehr viel Spaß in dieser Woche, habe viel gelernt und es hat sich gut angefühlt, selbst Workshops zu geben und vor großem Publikum aufzuführen.

Der Grund, warum ich eigentlich hier bin, die Arbeit, macht mir immer noch Spaß. Manche Trainings sind nach wie vor schwierig, aber einige Gruppen sind mir inzwischen echt wichtig und ich habe das Gefühl, wirklich etwas zu verbessern, weil sie viel lernen, was Zirkus angeht, aber auch den Umgang miteinander, sie entwickeln mehr Vertrauen in uns und in sich selbst. Es ist schön, ihren Fortschritt zu sehen, besonders bei den Aufführungen, die wir immer wieder organisieren, in Dörfern und Schulen oder bei kleinen „Festivals“, die mit Musik, Zirkus, Kunst, Workshops und Reden z.B. gegen den Bau einer großen Straße oder eines Staudamms demonstrieren. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie kreativ und stark sich einige Menschen hier dafür einsetzten, ihre wunderschöne Natur und ihre Heimat zu schützen.

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Das nächste und letzte große Projekt, mit dem ich während meiner verbleibenden Zeit hier viel beschäftigt sein werde, ist das Brinca Brunca, auch ein Festival, das der Circo Fantazztico seit 2015 ein mal im Jahr organisiert. Als ich letzten August hier ankam, habe ich gerade noch das letzte mitbekommen und war begeistert, von den vielen tollen Leuten, die gekommen sind und von dem großen Interesse der Einwohner. Alle Gruppen, die wir trainieren, sollen die Möglichkeit bekommen, sich zu präsentieren und wir wollen einige Artisten und Musiker einladen, die uns helfen, Shows machen und Workshops geben. Um das alles öffentlich möglich zu machen für die Kinder und Jugendlichen, mit denen wir arbeiten und für die Bevölkerung hier, brauchen wir finanzielle Unterstützung. Falls also jemand interessiert ist und uns helfen möchte, ist hier der Link zu unserem Crowdfunding:

https://gogetfunding.com/help-the-circus-fantazztico/

Wenn wir alles organisiert bekommen, werde ich spätestens wenn ich ab Mitte August wieder zurück in Aachen bin einen Eintrag über des vierte Festival Brinca Brunca schreiben und einige Bilder hochzuladen.

Eine Woche mit Ella

Schon länger haben Ella, eine sehr gute Freundin, und ich darüber nachgedacht uns während unseres Freiwilligendienstes zu besuchen und dann hat es relativ spontan letzte Woche geklappt, sie hat günstige Flüge gefunden aus den USA, wo sie in Kentucky ebenfalls einen Freiwilligendienst in einem Zirkus macht. Ella war mit mir in der Schule, hat mit mir im Zirkus acht Jahre Partnerakrobatik und Einrad gemacht – als wir jetzt wieder zusammen trainiert haben war es fast wie früher, nur mit Palmen im Hintergrund und zusammen mit vielen anderen Freiwilligen. Wir haben sogar unsere Einradnummer vorgeführt, bei einer dreitägigen Weihnachtsfeier in einer Schule in der Nähe. Dafür haben wir die letzten zwei Wochen mit fast allen Gruppen Präsentationen vorbereitet und auch wir Freiwilligen haben uns kleine Nummern überlegt. Es war sehr schön so kurzfristig eine so gute und vielfältige Vorstellung zusammenzustellen, zu sehen wie sich die Kinder angestrengt und gefreut haben, als es geklappt hat und dann auch noch mit Ella wie früher unsere Nummer zu spielen. Da die Woche für Ella aber auch ein bisschen Urlaub sein sollte, eine Erholung von der bei ihr anscheinend anstrengenderen Arbeit und der Kälte, haben wir das Wochenende mit ein paar anderen Freiwilligen und zwei Reisenden Jungs, die wir vor ein paar Wochen kennengelernt haben, in Manuel Antonio verbracht. Der Nationalpark war für uns alle spannend, Dschungel direkt am Meer mit lauter süßen Affen, Faultieren, Krabben, Waschbären, interessanten Rehen, einigen wunderschönen weißen Stränden und einem fast geheimen Wasserfall. Insgesamt war es eine tolle Woche und ich hoffe, Ella vielleicht auch noch besuchen zu können, um sie wiederzusehen natürlich, um ihre Arbeit noch besser kennenzulernen. Außerdem organisiert sie mit ihrem Zirkus ein Projekt, bei dem sie Artisten aus aller Welt einladen wollen, auch gerne aus Costa Rica vom Circo Fantazztico, vielleicht ist es ja sogar möglich, dass ich jemanden von hier begleite und auch dieses tolle Projekt kennenlerne.

Ein „typischer“ Arbeitstag

Zunächst einmal ist an meiner Arbeit quasi nichts typisch. Jede Woche wird neu entschieden, wer von den inzwischen 14 Freiwilligen welche Trainings macht. Die Gruppen sind alle sehr unterschiedlich vom Alter und Können her und jede Woche ist das Training mit der selben Gruppe anders als zuvor.
Beispielhaft beschreibe ich jetzt ein „typisches“ Training in Pueblo Nuevo mit der Gruppe, für die ich seit kurzem zusammen mit einer anderen Freiwilligen verantwortlich bin. Das ist auch die Gruppe, die ich am liebsten trainiere. Die meisten Kinder sind in der Grundschule und haben unser Zirkustraining als Teil ihres Stundenplans. Obwohl sie so jung sind, können sie schon ziemlich viel, haben unglaublich viel Energie und sind alle sehr süß.
Wenn ich dran bin, nach Pueblo Nuevo zu gehen, klingelt Mittwoch Morgen um acht mein Wecker, es wird mehr oder weniger gemeinsam gefrühstückt, Müsli, Toast mit Avocado, Frischkäse, Spiegelei von den eigenen Hühnern, Plátano, Ananas oder Papaya. Um zwanzig vor 9 merkt jemand dass es schon spät ist, alle fangen hektisch an sich fertig zu machen und die Materialien für den Tag zu packen. Dann gehen wir los ins Zentrum zum Busbahnhof, wo um 9 der Bus fährt. Meistens müssen wir auf halbem Weg anfangen zu rennen, da 10 Minuten leider nicht reichen… Dann folgen 40 Minuten Busfahrt in die Berge, in denen wir besprechen, was genau wir beim Training vorhaben.
Das Training findet statt von 10 bis 11:30 Uhr auf einem riesigen Rasenplatz in der Nähe der Schule. Bis etwa 10:15 warten wir meistens, weil eigentlich nie jemand pünktlich kommt. An schlechten Tagen (wenn die Schule ausfällt oder es regnet) kommen manchmal nur so 3 Kinder, an guten bis zu 20. Dann kann es endlich losgehen, mit ein paar Spielen zum Aufwärmen. Noch bevor wir richtig anfangen können ein neues Spiel zu erklären schlagen die Kinder lauthals ihre Lieblingsspiele vor: „monstro! monstro!” (Monster) „No pulpo!” (Oktopus) „Virus!” „Si yo quiero ser el virus!” (Ja ich will der Virus sein). Meistens einigen wir uns dann auf ein Spiel von ihnen und eins von uns. Wenn die (2 bis 4) Freiwilligen schon fast ausgepowert sind vom Rennen in der Sonne während die Kinder scheinbar noch die gleiche Energie haben wie vorher geht es weiter mit einer kurzen Runde Dehnen und dann kommt das richtige Zirkustraining. Oft machen wir zuerst ein bisschen Akrobatik, Räder, Rollen, Handstände, Brücken, was die meisten schon ganz gut können, oder auch Pyramiden, was manchmal schwer ist, weil alle eher klein sind, sodass sie am Ende doch oft auf meinem Rücken, meinen Füßen oder Schultern rumturnen. Meistens teilen sich die Freiwilligen und Kinder in lose Gruppen auf, sodass ein paar Akrobatik machen, andere Jonglage, Tuch oder Trapez… Eigentlich freuen sie sich über jede Art von Zirkus.
Ziemlich schnell ist die Zeit dann wieder vorbei und nach gemeinsamen Müllsammeln und einer kleinen Abschlussrunde gehen die Kinder mit ihren Eltern nach Hause und wir gehen in einer sehr süßen, sehr guten Soda (ein kleines Restaurant mit costaricanischen Gerichten) Pinto essen und danach per Anhalter weiter hoch in die Berge zum nächsten Training.

 

Wo wohne ich?

Da am Anfang noch viele von den Freiwilligen aus dem letzten Jahr da waren habe ich den ersten Monat mit meiner Mitfreiwilligen von Kolping, Judith, bei einer Gastfamilie gelebt, also bei unserer Gastmutter Martha, eine ältere sehr nette Frau, die fast im Zentrum von San Isidro wohnt. Sie hat uns sehr nett aufgenommen, uns ein bisschen geholfen uns in der Stadt zurecht zu finden, versucht uns Spanisch beizubringen und uns ihren Verwandten vorgestellt. Obwohl wir jetzt umgezogen sind, haben wir immer noch eine nette Familie hier. Außerdem haben wir die costaricanische Küche kennengelernt, Martha hat immer gut und viel gekocht.
Meistens gibt es hier Reis mit sehr vielen unterschiedlichen Beilagen, Bohnen, ganz viele leckere Gemüse, die ich noch nicht alle kannte, Platanos (Bananen, oft gebraten), Ei…

Vor einem knappen Monat sind wir umgezogen in den Comedor, ein Haus, das dem Zirkus vor Jahren von der Stadt gespendet wurde. Da ist Platz für fünf Leute und die ganzen Materialien vom Zirkus. Judith und ich leben in einer Wohngemeinschaft zuerst mit noch einer anderen Freiwilligen aus Deutschland, einem Musiker aus San José und einer Freundin von ihm aus Spanien, aber seit letzte Woche noch mehr neue Freiwillige angekommen sind, leben wir jetzt hier vorübergehend mit sieben Deutschen. Nachdem ich die erste Woche mein Zimmer gestrichen habe, bin ich jetzt auch so richtig angekommen! Ich wohne leider in einem der weniger schönen Zimmer, weil es quasi kein Tageslicht gibt, aber nachdem ich viele Stunden Arbeit darin investiert habe, fühle ich mich echt wohl.


An das Haus muss ich mich noch ein bisschen gewöhnen, in den Fenstern ist kein Glas, die Duschen sind kalt und es gibt reichlich Ameisen und ab und zu Kakerlaken. Draußen haben wir vier Hühner, drei Hunde, eine Katze, eigene Bananen, Mangos, Avocados und Papayas. Das Leben in einer WG ist neu für mich und oft eine Herausforderung, besonders in einem anderen Land und zusammen mit sechs anderen deutschen Mädchen, die sich ungefähr so wenig auskennen wie ich. Ich komme sehr gut mit denen klar und generell gefällt es mir, wie frei wir hier leben und dass fast immer was passiert, aber ab und zu wird das auch anstrengend. Insgesamt gefällt es mir aber gut und ich fühle mich sehr wohl und zuhause.

Die ersten Wochen

 

Kaum zu glauben, dass ich jetzt schon bald zwei Monate in Costa Rica bin. Es ist schon so viel passiert dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Vielleicht das wichtigste zuerst: Mir geht es sehr gut, ich bin gesund, fühle mich wohl und bin sehr glücklich mit meinem Projekt! Ich wollte und sollte wahrscheinlich diesen Blog eigentlich schon vor meiner Abreise anfangen, aber obwohl ich mich noch nicht überarbeitet habe, war immer irgendwas los. 30 Stunden Reise, ankommen und erfahren dass wir erstmal für noch unklare Zeit in einer Gastfamilie leben, alle alten Freiwilligen kennenlernen und leider wenige Tage bis Wochen später wieder verabschieden, das Zirkusfestival Brinca Brunca, zum Strand fahren, trainieren, schöne Zeit mit meinen Mitfreiwilligen verbringen, viele nette Leute hier kennenlernen, ein bisschen feiern, plötzlich viel Verantwortung übernehmen, weil alle die sich auskennen weg sind, umziehen und plötzlich selber kochen, putzen und einkaufen, einen Tropensturm abwarten… Und als ich dann tatsächlich etwas geschrieben hatte wurde leider mein Laptop geklaut. Aber so langsam habe ich mich gut eingelebt und jetzt auch mal Zeit gefunden, meine ersten Beiträge hochzuladen.